Friday, April 20, 2012

Teuflische Friedensperspektiven


(Aus Factum, Schweiz, April 2012)

Von UWE SIEMON-NETTO

Der Name des Teufels leitet sich bekanntlich vom griechischen Wort Diabolos ab, zu Deutsch: der Durcheinanderwerfer.  Es liegt in der Natur Satans, dass er eine gute Sache ins Gegenteil umzukehren trachtet, zum Beispiel den Friedenswunsch. Dieser Wunsch lässt sich, der Leser verzeihe mir das kesse Wortspiel, auch „auf Teufel komm’ ‚raus“ stillen, nicht weil die Welt dadurch besser würde, sondern weil Wahlkampf ist und das Stimmvolk einen kostspieligen Waffengang nicht mehr mag. Dann wird nach einer „Auswegsstrategie“ gesucht, wird ein „ehrenhafter Friede“ angestrebt, wird heimlich mit dem Gegner verhandelt, so als gelte es, zu entscheiden, ob ein Hohenzollernkönig oder eine Habsburgerkaiserin fortan über Schlesien herrschen werde.

Aber so harmlos wie zu Zeiten Friedrichs des Grossen und Maria Theresias ist das nicht mehr. Heute hat es der Westen mit Feinden zu tun, die sich in der zynischen Gewissheit wiegen, dass Demokratien „psychologisch und politisch nicht in der Lage sind,  einen sich lange hinziehenden Krieg zu führen“, wie der nordvietnamesische Verteidigungsminister Vo Nguyen Giap es vor einem halben Jahrhundert formulierte. Die Feinde der Freiheit und der Menschenrechte haben Geduld, Demokraten haben es nicht. Wenn sich kein eindeutiger Sieg in einem annehmbaren Zeitraum abzeichnet, sind Demokraten zu fast jedem Kompromiss bereit, und sei er noch so beschämend. Das sage nicht ich; das sagte Giap, der kommunistische Meisterstratege von Hanoi. Aber ich habe vor 40 Jahren als Kriegsberichterstatter in Indochina miterlebt, dass Giap uns richtig einschätzte. Und in Afghanistan erleben wir’s jetzt wieder. In den USA und Europa fordern Mehrheiten den Truppenabzug, egal, was danach geschieht, nämlich, dass dann die Hölle los sein wird.

Die Hölle? Nun ja, dies im wörtlichen Sinne zu behaupten, wäre untheologisch. Also sagen wir: Vorhölle. Oder wie sonst wäre dieser Zustand zu beschreiben: Alle Frauen und Mädchen werden unter Hausarrest gestellt und dürfen das Haus nur von Kopf bis Fuss verhüllt in Gesellschaft eines männlichen Verwandten verlassen. Wenn unter ihrer Burka Millimeter ihrer Fesseln aufblitzen oder ihre Schuhe quietschen, droht ihnen die Prügelstrafe. Sie dürfen nicht lesen und schreiben, keine Geographie, Geschichte oder Mathematik  lernen und keinen Beruf ausüben. Sie müssen in verdunkelten Räumen leben und wegen des Mangels an Sonnenlicht unter  Hautkrankheiten leiden. Sie sind unterernährt und werden unzureichend oder überhaupt nicht medizinisch versorgt, weil Ärztinnen nicht mehr praktizieren und männliche Ärzte keine Frauen anrühren dürfen. Wenn sie mit einem anderen Mann als ihrem eigenen Verkehr haben – und sei’s unter Zwang – werden sie gehenkt oder zu Tode gesteinigt; Homosexuelle werden lebendig begraben.

Entstammt dies meiner kranken Phantasie? Keineswegs. So war’s vor 15 Jahren unter den radikalmoslemischen Taliban bevor sie vor einem Jahrzehnt verjagt wurden. Jetzt bereiten sie sich – der Einsichten des Nordvietnamesen Giap eingedenk – geduldig darauf vor, nach dem Abzug der Amerikaner, der Briten, der Deutschen, Franzosen und der anderen NATO-Mitglieder ihr Terrorregime in Kabul wiederaufzunehmen. Nichts gibt zu der Annahme Anlass, dass sie milder vorgehen werden, wenn sich der Westen aus Afghanistan gestohlen hat und seine Truppen mit Sicherheit nicht zurückkommen werden.

Woher habe ich meine Kenntnisse? Sehen Sie, das ist faszinierend. Ich entnahm sie einem 15 Jahre alten Bericht auf der Webseite von „NOW“– der grössten amerikanischen Frauenorganisation, die sich damals noch um das Los ihrer Schwestern am Hindukusch sorgte, was heute ihr und anderen Feministenverbänden längst nicht mehr in den Sinn kommt. In ihrem abstossenden Narzissmus verschwenden sie keinen Gedanken auf die diabolischen  Perspektiven jener wehrlosen Geschöpfe. Auch sie haben den Wahlkampf vor Augen. Sie agitieren dafür, dass in Washington jene Partei an der Macht bleibt,  die nicht an ihrem „Recht“ rüttelt, ihre eigene Leibesfrucht zu töten, so wie dies seit der Freigabe der Abtreibung in den USA vor fast 40 Jahren 56 Millionen mal geschehen ist. Hier sei noch einmal der Leibhaftige erwähnt, und zwar mit einem Lutherwort: „Der Teufel ist aller Kinder Feind und sieht ungern, dass sie zur Welt kommen.“





Wenn der Platzregen aufhört

(Dieser Kommentar erschien 2011 in der Schweizer Monatszeitschrift Factum)

Von UWE SIEMON-NETTO

Im schrillen Talkshowpalaver, das in den USA augenscheinlich den seriösen Journalismus abgelöst hat, ist eine Floskel täglich zu hören. Sie lautet „American Exceptionalism“. Dieser Begriff fußt auf der These, dass sich die Vereinigten Staaten aufgrund ihrer demokratischen Ideale Freiheit, Gleichheit und Individualismus von allen anderen Nationen qualitativ unterscheiden. Dieser Gedanke ist nicht neu; er wirkt aber heute besonders grotesk, weil er zumeist mit Seitenhieben gegen Europa, insbesondere Frankreich, geäußert wird. Kein Land sei so großmütig, hilfsbereit und opferwillig wie die USA, sagen die Kommentatoren, aber keines ernte soviel Undank. Kurz, Amerika sei herzensgut, während das „sozialistische“ Europa den Makel habe, dass es dort zu viele Europäer gebe. Mit dieser Abgeschmacktheit erntete ein Medienstar unlängst im Fox-Kabelfernsehen das vergnügte Prusten seiner Mitschwätzer.

Ich bin ein konservativer Europäer. Umso mehr empört es mich, dass vor allem die vorgeblich konservativen Gegner Barack Obamas, zu dessen Verehrern ich wahrlich nicht zähle, vor Millionen Fernsehzuschauern dyergestalt daherplappern, und mich erbost   insbesondere der selbstgerechte, pseudoreligiöse Unterton der Behauptung, dass Amerika „exzeptionell“ sei. Amerikas Sonderrolle wird wie eine Gottesgabe dargestellt. Niemand scheint diesen Leuten entgegenzuhalten, dass es biblisch gesehen nur ein auserwähltes Volk gibt, nämlich das jüdische; dass darüber hinaus jedes Land wie auch jedes Individuum spezifische göttliche Berufungen hat, von denen keine über der anderen rangiert; dass drittens die Erbsünde alle Menschen befallen hat.

Angesichts des pseudoreligiösen Charakters dieses Geredes erinnere ich an das Lutherwort vom „fahrenden Platzregen, der „nicht wieder dahin kommt, wo er einmal gewesen ist.“ Luther meinte damit plötzliche Segnung bestimmter geographischer Plätze -- zum Beispiel Deutschlands zur Reformationszeit -- mit Gottes Wort. Das gleiche gilt auch für den weltlichen Bereich. Gott vertraut Nationen besondere Aufgaben an. Aber wir wissen aus dem Alten Testament, dass Gott einer untreuen Nation auch seinen Rücken zuwenden kann.

Nur Toren können bestreiten, dass Amerika im Weltgeschehen zwar einen gewichtigen Auftrag hat aber derweil daheim vom Weg abgekommen ist. Vor den jüngsten Kongresswahlen war viel von Steuern die Rede, viel vom Schrumpfen des Wohlstandes der Amerikaner, viel auch von Arbeitslosigkeit, und dies waren legitime Themen. Aber erstaunlich wenig wurde darüber gesprochen, dass die Vereinigten Staaten die westliche Welt eben nicht nur vor Tyrannei schützten sondern auch in den Morast einer Massenperversion führten, die mit den Idealen von Freiheit und Gleichheit unvereinbar ist: Ich meine den Entzug  des Lebensrechtes ungeborener Kinder.

Seit der Oberste Gerichtshof 1973 die Abtreibung billigte, sind in diesem Land mindestens 70 Millionen Babys in Mutterleib umgebracht worden. Jährlich werden 1,2 Millionen mehr gemeuchelt. Die meisten anderen Demokratien sind diesem Beispiel Amerikas gefolgt und nicht umgekehrt, so wie sie die Leitmacht auch in ihren anderen Verirrungen nachäfften, sei es in der Glorifizierung des Drogenkonsums, sei es indem sie Homosexualität und Ehe zunehmend gleichsetzten und damit die Familie als Schöpfungsordnung in Frage stellten.

Dies alles verleiht dem "American Exceptionalism" einen düsteren Aspekt, denn es mutiert die demokratische Tugend des Individualismus zur Untugend der Ichsucht, und dies schlägt sich allenthalben in der wirtschaftlichen, geistigen, kulturellen und politischen Malaise der USA nieder.

Obama und sein Berater, vorwiegend Veteranen der linksradikalen Szene der Sechzigerjahre, treten vehement für das "Recht" werdender Mütter ein, zwischen Leben und Tod ihrer Leibesfrucht wählen zu dürfen. Der permanente Verstoß gegen das Lebensrecht Millionen Ungeborener war im letzten Wahlkampf aber bestenfalls ein Randthema. Und dies stellt die Verkünder des „American Exceptionalism“ in ein absurdes Licht. Denn es ist vermessen zu glauben, dass Gottes Platzregen auf die Dauer den von immer frischem Blut getränkten Boden fruchtbar halten wird -- in Amerika und anderswo. Um Luther zu paraphrasieren: Platzregen haben es an sich, weiterzufahren.

Wednesday, April 4, 2012

Press Ignores Routine Black Success Stories

From the April 5, 2012, edition of The Wall Street Journal

By UWE SIEMON-NETTO

Rick Nagel's response (Letters, March 31) to Juan Williams's "The Trayvon Martin Tragedies" provides a sad testimony of the current state of journalism. Why do we read and hear so little of those black "entrepreneurs, fund managers, attorneys, teachers" who once studied under Mr. Nagel and similar teachers?

As a former foreign correspondent covering this country for decades, I blame the dearth of curiosity and imagination among assignment editors and reporters for this. Rather than dig up exciting stories about such remarkable people, they perpetuate clichés by parading out opportunistic and boring characters such as the Rev. Al Sharpton and the Rev. Jesse Jackson, who should have long been relegated to dotage in obscurity.

You rarely find out much about competent pastors of healthy black congregations. When I lived in downtown Washington, I attended Mount Olivet Lutheran Church, an almost all-black parish a 10-minute walk from the offices of the capital's leading newspaper. Not once did Mount Olivet's elegant and Gospel-centered sermons, its fine liturgy and educated, successful members attract media attention. The problem was that they were too "normal"; they did not fit stereotypes as readily as Messrs. Sharpton or Jackson.

Is it good journalism to ignore what's excellent and normal? Trust an old newspaperman: It is not and does harm to all of us, especially African-Americans.

Uwe Siemon-Netto

Laguna Woods, Calif.